Kapitel 3: Die erste Erneuerung der Bruderschaft

1857 – 1883

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Die Regeln, die von Pfarrer Reuff 1857
neu aufgestellt wurden

Die katholische Pfarre St. Cäcilia erhielt im Jahre 1856 einen neuen Pfarrer. Er hieß Wilhelm Reuff und wurde am 1.5.1819 in Aachen geboren. Zunächst war er als Vikar in Hemmersbach tätig gewesen und wurde am 16.9.1856 als Pfarrer in Oberkassel eingeführt. Er verstarb am 24.2.1871 als Pfarrer von Oberkassel. Kurz nach seiner Einführung erhielt er vom erzbischhöflichen Generalvikariat in Köln die Anweisung, sein Hauptaugenmerk auf den Neubau der Kirche in Oberkassel zu richten. Es gelang ihm dann auch, nach Überwindung vieler Hindernisse , die Bauangelegenheit so weit voranzutreiben, dass der Grundstein für die neue Kirche am 25.10.1863 gelegt werden konnte. Wilhelm Reuff wird von Friedrich Kniel, dem späteren Kirchenvorstandsvorsitzenden, als rüstiger und tatkräftiger Pfarrer geschildert, der sich Verdienste um die Kirchengemeinde erworben hat.21

Es ist verständlich, dass sich der neue Pfarrer auch der in der Gemeinde vorhandenen Bruderschaften annahm. Bereits ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt hat Pfarrer Reuff die Statuten der Bruderschaft neu gefasst. Sie wurden von ihm eigenhändig in das Bruderschaftsbuch eingetragen und weisen in der Einleitung nochmals auf das Jahr 1794 hin.

Diese neu gefassten Regeln umfassen wiederum 14 Paragraphen, wie in der ursprünglichen Fassung von 1794. Bei einem Vergleich mit den alten Regeln fällt auf, dass etliche Bestimmungen erweitert und auch an die inzwischen eingetretenen Änderungen angepasst wurden. Dies war wohl nach 63jährigem Bestehen der Bruderschaft notwendig. Um einige Beispiele zu nennen sei erwähnt, dass keine Strafen mehr angedroht wurden, die früher in Form von Kerzenwachs zu zahlen waren. Die sozialen Hilfen wurden weiterhin aufgeführt und teilweise noch erweitert. So hieß es jetzt beim Tod eines Mitgliedes: „Ist der Verstorbene arm und bedürftig, so werden die Beerdigungskosten aus der Bruderschaftskasse durch den Brudermeister bestritten.“ Das religiöse Leben wurde intensiviert, denn nunmehr wurden die Mitglieder der Bruderschaft verpflichtet, der monatlichen Andacht beizuwohnen und die hl. Sakramente zu empfangen.

Wie bereits erwähnt, wurde 1819 ein Schützenkönig ermittelt. Daher sind die Bestimmungen über das Königsvogelschießen, die Aufbewahrung des Schilderkranzes und der Vereinsfahne jetzt ausführlich in den Statuten von 1857 aufgenommen worden. Sie werden hier im Wortlaut wiedergegeben:

  • § 10 Bei dem sogenannten Vogelschuss, der jährlich nach vorheriger Bekanntmachung stattfindet, haben die Brudermeister, um allen Unordnungen u. Einwendungen vorzubeugen, mit strenge darauf zu sehen, dass keiner zugelassen wird, der nicht der Bruderschaft selbst einverleibt ist.
  • § 11 Der silberne Schilderkranz, der bei dem Vogelschusse zur Zierde des Königs dient, und jährlich durch ein silbernes Schild von seiten des neuen Königs vermehrt wird, ist und bleibt ein unveräußerliches Eigentum der gesammten Bruderschaft und soll der allgemeinen Sicherheit wegen das Jahr hindurch bei dem zeitigen Kirchenrendanten aufbewahrt werden. Die Anzahl der Schilder und Beschaffenheit derselben gibt das Inventarium der Bruderschaft an, das sich in diesem Buche auf Seite 145 befindet.
  • § 12 Die Fahne, die aus freiwilligen Beiträgen auf Kosten der Bruderschaft angeschafft worden ist, ist und bleibt ebenfalls Eigentum der Bruderschaft. Sie hat aber eine kirchliche Weihe erhalten und soll deshalb nur gebraucht werden bei dem sogenannten Königszuge und außerdem nur bei kirchlichen Feierlichkeiten und öffentlichen Prozessionen, wie sie in § 6 angegeben sind, wobei sie zur Zierde und Verherrlichung dient; und soll deshalb das Jahr hindurch in der Wohnung des Pfarrers in Verwahr genommen werden, wo sie am besten untergebracht werden kann.

Aus der Fassung der revidierten Regeln von 1857 geht eine Neuerung hervor, von der bisher noch nicht die Rede war. Es heißt im Vorwort zu den Regeln, dass die Bruderschaft zu dem genannten Zwecke unter den Jungfrauen und Junggesellen der Pfarrgemeinde Oberkassel eingeführt worden ist. Über die Gründe der Einführung der Jungfrauen in die Bruderschaft ist ebenso wenig bekannt, wie für ihr Ausscheiden Anfang dieses Jahrhunderts.

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Totenzettel eines verstorbenen weiblichen Mitgliedes der Bruderschaft
aus dem Jahr 1886

Die Einführung der Mitgliedschaft der Jungfrauen im Jahr 1846 fällt in die Amtszeit des Pfarrers Kronenberg (1845 – 1856). Ob dieser Präses damit seelsorgerische Aspekte verfolgte, oder ob andere Ursachen vorlagen, ist unbekannt. Nicht zu übersehen ist, dass offensichtlich auch ein Nachlassen im Vereinsleben der Bruderschaft eingetreten war, denn in den Jahren 1844 und 1845 wurde kein Schützenkönig ermittelt. Jedenfalls beginnt mit dem 25.3.1846 das Namensverzeichnis der eingeschriebenen Jungfrauen mit Marie Theresia Rhein. In diesem Jahr haben sich als erste insgesamt 34 Jungfrauen einschreiben lassen. Das Namensverzeichnis ist mit „Namen der Schwestern“ überschrieben. Das Verzeichnis wurde lückenlos weitergeführt bis Nr. 304, Agnes Troisdorf, eingeschrieben im Jahr 1901. Die Jungfrauen übernahmen auch Aufgaben als Vorsteherinnen und Kerzenboten.

Die Einführung der Jungfrauen in die Bruderschaft wird nur den kirchlichen Teil betroffen haben und nicht die Schützentradition. Über die insgesamt 55 Jahre bestehende Einrichtung, in der Jungfrauen aktiv in der Bruderschaft tätig waren, ist leider nichts überliefert, sieht man einmal von dem Namensregister ab. Und trotzdem wirkte sich die Aufnahme auch außen hin aus. Auf den Schildern der Schützenkönige der Jahre 1848 bis 1856 hieß es nicht mehr „Jesus-Maria-Josef Junggesellen-Bruderschaft“ sondern „Bruderschaft Jesus-Maria-Josef“. Erst nach Verabschiedung der neuen Regeln durch Pfarrer Reuff heißt es beim 26. König Franz Rhein im Jahre 1857 wieder „Junggesellen-Bruderschaft“. Danach ist die Bezeichnung auf den Königsschildern bis zum 1. Weltkrieg nicht einheitlich. Die noch vorhandene Schwenkfahne von 1884, die Kirchenfahnen von 1895 und 1905 enthalten das Wort Junggesellen nicht mehr, was sicherlich mit der Mitgliedschaft der Jungfrauen zusammenhängt.

Zu den reformierten Statuten wurde 1857 ein Inventarverzeichnis aufgestellt, in dem erstmals die Gegenstände aufgezählt wurden, die der Bruderschaft gehörten. Es heißt dort:

Inventarium
der wohllöblichen Bruderschaft
von Jesus, Maria u. Josef zu Oberkassel

Die Bruderschaft besitzt:

  1.  ein weiß seidene Schwengfahne, die im Jahre 1857 auf Kosten der Bruderschaft von den Beiträgen der einzelnen Mitglieder angeschafft wurde. Sie ist verziert mit den gemalten Bildern von Jesus, Maria und Josef, der hl. Patronin Cäcilia und des hl. Sebastianus. Nach § 12 der Statuten ist sie Eigentum der Bruderschaft, und soll das Jahr hindurch, wo sie nicht gebraucht wird in der Wohnung des jedesmaligen Pfarrers aufbewahrt werden.
  2. einen silbernen Schilderkranz, welcher nach § 11 der Statuten Eigentum der Bruderschaft ist und zur größeren Sicherheit das Jahr hindurch bei dem zeitigen Kirchenrendanten aufbewahrt werden soll. Er besteht aus einem schweren silbernen Vogel der an einer langen silbernen Kette befestigt ist, woran folgende Schilder sich befinden:
    No. 1 ein Schild in Form eines Landwehrkreuzes
    geschenkt von Christian Pfeiffer, I. König und
    Marg. Hombitzer, Königin, 1819.

Das Verzeichnis der Königsschilder wird fortgeführt bis Nr. 26 , das Schild des Schützenkönigs Franz Rhein und der Königin Mathilde Werner aus dem Jahr 1858. Danach sind die Königsschilder fortlaufend nachgetragen bis Nr. 48 aus dem Jahr 1884, in dem Wilhelm Henscheid Schützenkönig und Susanne Thomas Königin waren. Ein Protokoll über die Schilderrevision vom 20.6.1884 ergänzt dieses Aufstellung.

Nach der Aufzählung der Königsschilder ist noch eine interessante Aufstellung über das sonstige Inventar der Bruderschaft gemacht worden. Leider ist kein Datum der Eintragung vorhanden, aber sie trägt die Unterschrift des A. Mittler, der 1886 Brudermeister war. Somit kann man annehmen, dass der Bruderschaft in diesem Jahr folgende Gegenstände Gehörten:

2Kirchenfahnen nebst Stangen und Quasten
1Kreuzfahne nebst Kreuz und Quasten
3Kerzenständer nebst Kerze
1Bruderstab
4Degen
10Hirschfänger
5silberne Schärpen
12Epauletts
2Kisten zum Aufbewahren der Sachen
1Hauptbuch
4Contobüchlein
1kleines Cassabuch
1Vogelstange
1kleiner Kasten zum Aufbewahren des Schilderkranzes
1Opferkasten an dem Muttergottesaltar
1Klingelbeutel
1neue Schützenfahne resp. Schwenkfahne
1großer Schrank zum Aufbewahren der Sachen

 

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Schild des 1. Jubilarkönigs Johann Müller, 1869

Diese Aufstellung erlaubt einen ungefähren Überblick, wie groß der damalige Schützenzug war. Die vier Degen waren für die Offiziere, die 10 Hirschfänger für die Begleiterpaare bestimmt. Die hier erwähnte neue Schwenkfahne ist diejenige, die im nächsten Abschnitt dieser Chronik abgebildet ist.

Im Jahre 1869 konnte die Bruderschaft das 75jährige Bestehen feiern. Es ist uns nicht überliefert, ob und wie das Ereignis gefeiert wurde. Gleichzeitig bestanden aber auch die Schützen schon 50 Jahre in der Bruderschaft. Die 1819 eingeführte Einrichtung eines Schützenkönigs, der den hölzernen Vogel von der Stange schießen musste, hatte sich erhalten, und insgesamt waren seither 34 Könige ermittelt worden. Der Schilderkranz wuchs also beständig an. Obwohl die Statuten keine Bestimmungen darüber enthalten, wann ein Jubiläum zu feiern ist, war das vorerwähnte Ereignis Anlass , den ersten Jubilarkönig der Bruderschaft zu ermitteln. Er hieß Johann Müller und stiftete zu diesem Anlass ein Schild, das folgende Inschrift trug:

Zum Andenken des feierlichen 50jährigen
Jubilarschützenfestes der Bruderschaft
Jesus Maria Josef 1869
Johann Müller König,
Catharina Müller Königin.

Als der Nachfolger von Pfarrer Reuff, Pfarrer Wilhelm Breuer, im März 1874 verstarb, trat ein für die katholische Pfarrgemeinde Oberkassel und auch für die Bruderschaft bis dahin ungewohnter Zustand ein. Die Pfarrstelle wurde aufgrund der bestehenden Kulturkampfgesetze nicht wieder besetzt.

Bei dem als Kulturkampf bezeichneten Vorgang handelte es sich um eine Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche, die so weit führte, dass freiwerdende Pfarrstellen nur mit Genehmigung der weltlichen Behörde neu besetzt werden konnten. Dem wiedersetzten sich die kirchlichen Stellen, so dass manche Planstelle jahrelang vakant blieb. Dieser Zustand dauerte in Oberkassel immerhin von 1874 bis 1885, also 11 Jahre. Der Dechant Samans aus Küdinghoven und Vikar Schröder aus Ramersdorf versahen aushilfsweise die Pfarrstelle. Friedrich Kniel war in dieser Zeit Kirchenvorstandsvorsitzender, der die Kirchengemeinde zusammen-hielt.22 Erst 1885 konnte Pfarrer Johann Joseph Rüssel dann seinen Dienst antreten.

Es blieb daher nicht aus, dass die Brudermeister und Könige, aber auch die ältesten Brüder, während des Kulturkampfes ungewohnte Verantwortung übernehmen mussten. Nach den ersten beiden schwierigen Jahren 1875 und 1876 ohne Pfarrer wurde aber wieder jährlich ein Schützenkönig ermittelt.

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